RJZ-Flugblatt zum 1.Mai 2009
Was tun? Eine Antwort auf die Machtlosigkeit
Es sieht übel aus
Die Weltwirtschaft ist in eine tiefe Krise geraten. Die Börsenkurse fallen ins Bodenlose, die Banken melden reihenweise Konkurs an, traditionsreiche Unternehmen gehen ein, sogar die UBS, lange Zeit eines der Vorzeigeunternehmen der Schweiz, konnte nur noch durch den Staat vor dem Bankrott gerettet werden. Man könnte leicht schadenfreudig werden, doch die Auswirkungen treffen uns alle. Waren zuerst bloss die Banken betroffen, hat sich die Krise nun auf die ganze Wirtschaft ausgebreitet. Entlassungen die in die Tausenden gehen, werden zur Tagesordnung und beinahe in jeder Branche fürchten die Leute mittlerweile um ihre Stellen. Die Prognosen sagen für die nächsten Jahre eine Steigung der Arbeitslosenquote voraus, wie es sie schon lange nicht mehr gegeben hat. Wie immer trifft es uns Jugendliche besonders hart. Die Jugendarbeitslosigkeit wird in den kommenden Monaten, um ein Vielfaches stärker steigen als die durchschnittliche Arbeitslosenzahl, auch für den Lehrstellenmarkt wird eine massive Verschlechterung prognostiziert.
Angesichts dieser massiven weltweiten Auswirkungen und Verschlechterungen, fühlen sich viele zwar wütend aber dennoch ohnmächtig und machtlos. Selbst wenn wir uns politisch engagieren, wird oft behauptet, dass wir dadurch sowieso nichts verändern. Wie soll schon ein Flugblatt alleine etwas bewirken, gegen unsere scheinbar übermächtigen Gegner. Und was können wir als einzelne, schon gegen die Krise und die Mächtigen dieser Welt, die dafür verantwortlich sind, tun?
Was können wir schon tun?
Eine ganze Menge, behaupten wir! Unser Rezept gegen die politische Machtlosigkeit heisst: Gegenmacht aufbauen. Doch was bedeutet das überhaupt? Gegenmacht aufbauen bedeutet, dass man sich bewusst ist, dass die herrschende Macht tatsächlich sehr mächtig ist und man sie nicht mit einer einzelnen Aktion wegfegen oder auch nur anrühren kann. Deshalb geht es darum, in allen gesellschaftlichen Bereichen eine Alternative zur bestehenden Macht aufzubauen, eben eine Gegenmacht, die Schritt für Schritt stärker werden soll, bis sie genug stark ist, um Veränderungen im grossen Massstab zu erreichen. Gegenmacht aufbauen bedeutet, dass man sich sehr wohl bewusst ist, mit einzelnen Aktionen nicht gleich grosse Veränderungen zu bewirken. Deshalb beginnt Gegenmacht zwangsläufig im Kleinen.
Wo beginnen?
Überall, wo wir können! Gegen die kommerzialisierte Kultur des Kapitalismus beispielsweise, müssen wir unsere eigene Kultur aufbauen. Das fängt an bei dem Veranstalten einer nicht profitorientierten Party bis zur Entwicklung einer eigenständigen Kultur, wie sie alle starken revolutionären Bewegungen hervorbringen.
Gegen die ständige Präsenz der kapitalistischen Alternativlosigkeit, müssen wir unsere eigenen Positionen aufzeigen. Das kann in Form von Aufklebern oder Plakaten geschehen, das klingt zwar nach wenig aber es zeigt den Leuten, dass auch andere Positionen vorhanden sind, die sich nicht mit den herrschenden Zuständen abfinden wollen. Ein Kleber erreicht einige Leute, eine Grossdemo jedoch Tausende. Dass eine Bewegung aber so stark werden kann um eine Grossdemo durchzuführen, braucht es zuerst die Präsenz im Kleinen.
Den Leuten wird erzählt, dass es keine Alternative zu unserer Gesellschaft gäbe, dass es eine Naturnotwendigkeit sei, dass Leute in Armut, Krieg und Elend leben müssten. Auch dagegen müssen wir eine Gegenmacht entwickeln. Indem wir uns über die wirklichen Gründe dieser Zustände und über Alternativen dazu informieren. Und indem wir dieses Wissen weiterverbreiten und so die Macht über unsere Köpfe zurückgewinnen, die voll von dem Blödsinn sind, den unsere sogenannten Wirtschaftsexperten und „Volksvertreter“ tagtäglich behaupten.
Gegenmacht bedeutet auch, sich von der herrschenden Macht nicht alles gefallen zu lassen. Wenn wir eine Demo oder sonst eine Aktion machen wollen, dann muss es uns nicht interessieren, ob die Bullen damit einverstanden sind. Und ein Plakat kleben wir auch, wenn es illegal ist. Mit jeder Demo die wir durchsetzen und mit jeder Aktion, bei der wir uns die Strasse nehmen, erkämpfen wir uns ein Stückchen Gegenmacht.
Gegenmacht bedeutet, sich im Betrieb nicht mehr alles gefallen zu lassen. Das beginnt im Kleinen, indem man sich mit einigen Mitarbeitern zusammenschliesst und sich für seine Rechte einsetzt und dem Chef so ein kleines Stück seiner Macht streitig macht. In einem grösseren Schritt, bilden sich beispielsweise Arbeiterkomitees im gesamten Betrieb, die mächtig genug sind, organisierte Streiks durchzuführen, wie es in den SBB-Werken in Bellinzona vor einem Jahr geschehen ist. Da übernahmen die Arbeiter für einige Wochen die Macht im Betrieb und die Chefs mussten zusehen. Die Arbeiter konnten erfolgreich die Schliessung des Werks verhindern und erkämpften sich ein Stück Gegenmacht indem sie sagten: „Mit uns lässt sich nicht alles machen“. Die Strukturen die aus diesen Kämpfen entstanden sind, sind bis heute aktiv und in vielen Städten haben sich Solidaritäts-Komitees gebildet, die bei Arbeitskämpfen unterstützend eingreifen. Ein kleines Stück Gegenmacht ist entstanden!
Es ist also nichts schlechtes, wenn man erst einmal im Kleinen anfängt. Es ist unserer Meinung nach sogar ein Muss, denn Gegenmacht wird Schritt für Schritt aufgebaut.
Mach mit!
Die Macht haben die Reichen und Mächtigen. Die Leute, die in den Chefetagen und den Verwaltungsräten der grossen Firmen sitzen und sich auf Kosten aller anderen bereichern. Diejenigen, welche die Kontrolle über die Wirtschaft und den Staat haben und über das Schicksal von Milliarden entscheiden. Wir anderen, die Arbeiter, Schüler, Lehrlinge, Studenten, Arbeitslosen, besitzen keine Macht. Sie entscheiden über unsere Köpfe hinweg und scheren sich einen Dreck darum, was wir davon halten. Ihnen ist egal, ob es uns gefällt entlassen zu werden, höhere Mieten zu bezahlen, von Bullen schikaniert zu werden oder die grösste Wirtschaftskrise seit den 30er-Jahren zu erleben. Deshalb müssen wir uns die Macht Stück für Stück holen. Egal ob auf der Strasse, in den Köpfen, in der Kultur, in den Betrieben oder Schulen, überall wo wir die herrschende Macht spüren, müssen wir ihr unsere eigene entgegensetzen.
Die einzelnen Bereiche der Gegenmacht sollen jedoch nicht bloss einzeln für sich existieren, sondern müssen verbunden werden zu einer einzigen grossen und gut organisierten Gegenmacht. Immer mit dem Ziel, schlussendlich die bestehende Macht zu stürzen. Denn nur so können wirkliche Veränderungen möglich werden. Das gelingt jedoch nur, wenn wir damit im Kleinen beginnen und unsere eigene Seite, unsere eigene Macht konsequent Stück für Stück aufbauen und vergrössern. Um diese Gegenmacht aufzubauen muss man nicht auf eine besonders günstige Gelegenheit, eine grosse Bewegung oder ein bestimmtes Ereignis warten, sondern man kann hier und jetzt damit anfangen. Und dazu laden wir euch herzlich ein!
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